Die Premiere einer Teilnahme am Sparkassen-Marathon, dem nun zum fünften Mal ausgetragenen 3-Länder-Marathon von Lindau über Bregenz nach St. Margarethen und zurück, ist gelungen. Eine Staffel der Therapiestation Carina, die ausschließlich aus Patientinnen und Patienten bestand sowie vier gemischte Staffeln der Therapiestation Lukasfeld (Patienten und Personal) haben teilgenommen und sind mit fast 400 anderen Staffeln unter dem Jubel der Zuschauer im Casino-Stadion ins Ziel gekommen – über eine Stunde vor dem sogenannten Besenwagen, also in respektablen Zeiten. Aber dies ist nicht die Zeit, um über Zeiten zu sprechen. In der Vorbereitung und in der Planung gab es nur ein sportliches Ziel, nämlich nach aller Vorbereitung diesen Lauf zu meistern und zu „finishen“, also einfach durchzukommen und sonst gar nichts. Es ging uns nicht um den Wettkampf oder Platzierungen, sondern darum, gemeinschaftlich eine Leistung zu bringen, als Kollektiv von Angehörigen der Patientengruppe und Teammitgliedern, und gemeinsam die Aufregung, die Anspannung, die Erschöpfung aber dann auch den Stolz und die Freude zu teilen.
Der Sparkasse-Marathon ist die größte Sportveranstaltung des Landes und unsere fünf Startläufer standen in Lindau gemeinsam mit 5.000 anderen Sportbegeisterten am Start. Wer noch nie an so einer Großveranstaltung teilgenommen hat, dem sei dies an dieser Stelle empfohlen. Wenn sich eine derart große Menge von Menschen im Pulk gemeinsam in Bewegung setzt, in aufgeregter und aufgekratzter Stimmung, ist dies ein erhebendes Erlebnis, welches Seinesgleichen sucht.
Unsere Startläufer haben die 10.000 Meter bis zur ersten Wechselstation am Festspielplatz in Bregenz sehr gut gemeistert und kamen alle fast zeitgleich an. Dann durfte nicht vergessen werden, den Zeitnehmungschip zu wechseln und sogleich machten sich die Zweier auf den Weg, die nächsten sieben Kilometer zurückzulegen hatten, ins Seezentrum nach Hard. Gerade in dieser Etappe zeigte sich der Einsatz einiger Patienten auf unbeschreibliche Art und Weise, sie rannten am Limit und darüber hinaus, C. z. B. war nach der Übergabe an seinen Dreier so verausgabt, dass er einige Minuten brauchte, bis er wieder angesprochen werden konnte. Inzwischen wurde die 9-Kilometer-Etappe zurückgelegt, nach St. Margarethen, wo die Schlussläufer schon warteten. Zum Glück kamen sie gerade noch rechtzeitig an, Manfred Diem von der TS Lukasfeld und Urban Nagel, der Sohn einer Mitarbeiterin und Laufteilnehmerin der TS Lukasfeld hatten Chauffeurdienste für sie dorthin übernommen und mussten mit Stau und Straßensperren fertig werden. Sie waren nicht viel schneller am Übergabeort als die Läufer, aber es hat gerade noch geklappt und so konnten alle fünf die letzten 16 der 42,2 Kilometer am Rheindamm entlang in Angriff nehmen. Von dort ging es wiederum nach Hard und nach Bregenz, über die Mehrerauerstraße führte der Weg zum Zieleinlauf, wo im Casinostadion noch eine halbe Runde zu drehen war.
Der Autor dieser Zeilen war nicht nur an der Organisation unserer Laufgruppen beteiligt, sondern selbst auch Schlussläufer einer der vier Lukasfeldstaffeln. Ich habe mich zugegebenermaßen nicht so verausgabt, wie andere aus unseren Staffeln, beispielsweise L., die vor dem Start sicher noch fünf Zigaretten geraucht hat, aber verbissen und unverdrossen ihre Etappe auf eindrucksvolle Art und Weise gemeistert und am absoluten Limit beendet hat. Sie wurde wohl nur noch von einem anderen Läufer geschlagen, der sogar während des Laufs genüsslich an einer Zigarette gezogen hat. Ich war bei allen Übergaben dabei und konnte miterleben, wie intensiv alle beteiligt waren, Patienten wie Personal, wie viele eine Grenzerfahrung machten, einen „Kick“ erlebten – ganz ohne Drogen. Der andere C. war so im Schwung, dass er den Wechsel übersah, auf Zurufe nicht reagierte und wir ihm nachlaufen mussten, um ihn einzufangen. Ich habe Revue passieren lassen, wie wohl bei vielen mit jedem Schritt und mit jedem Kilometer das Selbstbewusstsein gewachsen ist, wie eine Tüchtigkeitserfahrung gemacht werden konnte und sich ein schönes Erfolgserlebnis einstellte.
Es war auch zu erleben, wie Angehörigen mitunter nach langen Jahren endlich wieder etwas Positives gezeigt werden konnte und wie sich Anerkennung über etwas äußerte, was manche Eltern ihren Kindern niemals zugetraut hätten. All diese schönen Gedanken waren verbunden mit einem wunderbaren goldenen Oktobertag und einer spürbaren Endorphinausschüttung, die mich selbst ebenfalls in eine euphorische Stimmung versetzte. Wir sind uns im Ziel jubelnd in die Arme gefallen und haben dort den Trubel noch einige Zeit ausgekostet.
Ich bedanke mich bei allen, die uns geholfen haben, insbesondere auch unseren Hauptsponsoren, dem Förderverein Friends of ME (FoME) für die Leibchen und Peter Rüscher für viele hilfreiche Dienste sowie der LSG Vorarlberg, die uns Schuhe und andere Laufmaterialien gespendet haben.
Info: Dr. Roland Wölfle