Eigentlich waren mit drei Bewohnern der WG der TS Lukasfeld, zwei ehemaligen Patienten der Therapiestation, sieben stationären Patienten sowie einem Mitarbeiter (dem Autor dieser Zeilen) 13
Personen angemeldet. Eigentlich. Geblieben sind dann noch fünf. Was ist passiert?
Die Antwort zu finden ist nicht schwer. Es ist passiert, was bei uns immer wieder passiert: Drei Angemeldete wurden in den letzten Wochen wegen Rückfälligkeit entlassen, zwei waren akut an
Durchfall erkrankt (psychosomatisch? Angst?), einer hat sich bei Gartenarbeiten am Vortag „verteifelt“ und einer ist ohne Rückmeldung am Morgen des Wettkampftages am Treffpunkt einfach gar nicht
erschienen und wir haben auch später nichts mehr von ihm gehört. Es sind dies Situationen, in welchen die Realität der Drogentherapie mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit der großen
Labilität und Unverlässlichkeit deutlich wird wie sonst selten. Die Organisation mehrerer Wettkampfstaffeln ist jedenfalls eine Herausforderung und wäre ohne die Unterstützung mehrerer
Teammitglieder wie Katharina Lang oder Manfred Diem, der uns Läufer über den ganzen Tag begleitete und betreute, wohl unmöglich (Danke, Manfred!).
Für die verbliebenen Fünf war der Tag jedoch ein absolutes Highlight, mit strahlendem Wetter und strahlenden Minen, nachdem unsere verbliebene Staffel nach dem Start um 11.11 Uhr in Lindau in
einer respektablen Zeit gegen 15.30 Uhr mit dem Zieleinlauf eines kämpferischen Patienten die Mission erfüllt hatte. Unser fünfter Mann legte wie auch einige Patienten der TS Carina die zehn
Kilometer von Lindau nach Bregenz zurück und konnte mit ca. 5.800 weiteren Laufbegeisterten die aufregende Atmosphäre am Start genießen.
Wir anderen warteten bei der ersten Staffelübergabestelle und konnten sowohl die in Führung liegenden afrikanischen als auch die europäischen Top-Athleten bewundern, als sie im Tiefflug an uns
vorbei glitten, wie auch die großartige Szene erleben, wie sich gegenüber am See der Pulk der Hobbyläuferinnen und -läufer der Pipeline entlang nach Bregenz bewegte. Nach ca. einer Stunde und 15
Minuten hat unser 10-Kilometer-Mann dem Verfasser dieser Zeilen übergeben, der selbst mit sieben Kilometer den kürzesten Run hatte. Bei der Kirche in Hard hat unsere Nummer 3 übernommen und
Manfred und ich konnten u. a. die durchaus bemerkenswerte Szene genießen, wie eine Läuferin aus einer Staffel der Firma Blum ihrer Nummer 3 ein Tuch übergab, das den sonst üblichen Staffelstab
ersetzte, mit den Worten: „Do heascht! Nimm du dean blöda Bendel!“ und setzte empört hinzu: „Jede Achz’g-Jährige hett´ mi überholt, so a schleachte Kondi hian i!“ Sprach’s, setzte sich auf eine
Bank und steckte sich eine Marlboro an.
Unser dritter Mann ist phantastisch gelaufen, er schaffte die neun Kilometer unter 45 Minuten und wir Begleiter wären fast zu spät zum Wechsel gekommen. Schließlich hat ein weiterer stationärer
Patient der TS Lukasfeld das 16-Kilometer-Finale auf sich genommen und mit 1 Stunde 15 Minuten hervorragend absolviert. Wir können mit einer Marathonzeit von 4.05.13 überaus zufrieden sein und
haben als 44. von 73 Staffeln deutlich besser abgeschnitten als erwartet. Immerhin sind wir mit Läufern unterwegs gewesen, die sich noch vor wenigen Wochen in der Drogenszene bewegt und
konsumiert haben.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Leistung unseres 5. Mannes, der sich den Viertelmarathon so hart erkämpft hat, dass er nach dem Zieleinlauf einen Druck am Herzen verspürte, der aber zum Glück
rasch wieder vergangen ist und uns darauf hinweist, dass eine kontrollierte Vorbereitung und die Beachtung sportmedizinischer Aspekte wichtig sind. Wir sind an einigen Rettungswagen
vorbeigekommen und haben Läuferinnen und Läufer gesehen, die bei föhnigem Wetter und hohen Temperaturen zusammengebrochen sind oder sich vor lauter Krämpfen nicht mehr bewegen konnten. Das kann
nicht der Sinn des Laufens sein. Wir wollen das lockere, lustvolle und entspannte Laufen in den Vordergrund stellen, die Harmonie von Körper und Geist, die Freude an der Bewegung und vor allem
die Erfahrung, dass es gerade beim Laufen in der Natur sehr intensive Erlebnisse gibt und dass wir mit diesem Sport wunderbare Glückserfahrungen herstellen können, ohne dazu Drogen zu
benötigen.
Wir wollen uns an dieser Stelle bei unseren Sponsoren bedanken, einerseits dem Förderverein Friends of ME, der uns die schönen roten Laufhemden (mit „Friends of Me“ – Logo) finanziert hat, sowie
dem Verein „Laufsportgemeinschaft (LSG) Vorarlberg“, der uns seit Jahren mit Sachspenden wie Schuhen u. a. Laufutensilien unterstützt – siehe auch die Homepage der LSG mit dem „Sozialprojekt
Lukasfeld“.
Auf den Fotos sind unsere Gruppe bei den Vorbereitungen zu sehen, das Finale unseres Zielläufers und die Medaillen. Wir haben an der Siegerehrung teilgenommen und auf dem letzten Foto ist noch
die Drittplatzierte des Einzel-Frauenbewerbs zu sehen. Wir müssen leider eingestehen: Sie war nicht nur schneller als wir, sondern auch schöner.
Info: Dr. Roland Wölfle