Einen Bericht zum ersten Highlight 2011 von Holger Schmidt, den Transvulcania auf La Palma, finden Sie hier als PDF.
Über 1100 Höhenmeter abwärts und „nur“ 250 Höhenmeter aufwärts auf 42,195 Kilometer in einem schönen Tal “ vom Gletscher in die Stadt“ zu laufen klingt verlockend simpel - ist aber alles andere als ein einfacher Marathon.
Beim Start in Mandarfen geht es gleich schon einmal 1,5 Kilometer aufwärts in die „falsche“ Richtung los, sodass sich das Feld der 250 Starter sofort auseinander zieht. Die Strecke verläuft ausschließlich auf der Pitztal- Bundesstraße auf Asphalt bei vollem Betrieb und hat im Wesentlichen 4 Steigungen: eine zu Beginn, bei km 28 vor Jerzens, bei km 30 vor Wenns und den drei Kilometer langen Schlussanstieg von Imst/ Autobahnunterführung hinauf zum Sportzentrum . Die Gefälle sind meistens recht steil und verlangen zusätzlich ein Bremsen, die Masse der Strecke ist flach und die Anstiege sanft, aber lang und kräfteraubend.
Der Kenianer Koilegei Jonathan und sein äthiopischer Gegner Ashenafi Erkolo sprinten los, als ob es für sie keine Steigung gebe. Das empfiehlt sich aber für den Amateur- Marathonläufer keinesfalls. Ich kenne die Strecke bereits und musste 2006 im letzten Teil Lehrgeld zahlen (3:00,52) und so gehe ich es dieses Jahr etwas langsamer an. Nach der ersten Steigung gebe aber auch ich Gas und laufe einen 4:00 Schnitt bis zu Kilometer 27. Die zwei folgenden Steigungen gehen gut und so kann ich mich bis km 39 auf den 15. Gesamtrang vorarbeiten. Die letzten drei Kilometer möchte ich etwas genauer schildern:
„Der tiefste Punkt bei der Autobahnunterführung ist erreicht, ich bin 2:44 unterwegs, Puls 132, Oberschenkel vom Bergablaufen ziemlich bedient. Ich habe also für 3,195 Kilometer und 87 Höhenmeter noch 16 Minuten Zeit, um unter 3 Stunden zu bleiben. Im Kopf rattert es – 5:00 Minuten Schnitt pro Kilometer - im Flachen kein Problem, aber schaffe ich es aufwärts? Reserve bilden – also gleich mit 4:00 hinein in die Steigung, bei der Verpflegungsstation mit 15 km/h durch und einen Becher Wasser über den Kopf, denn die Temperaturen sind schon über 20 Grad gestiegen. Seit einer Stunde laufe ich alleine, habe keinen anderen Marathonläufer mehr gesehen – ich muss mich immer wieder selbst motivieren – was beim 49. Marathon immer schwerer wird. Aber die 16 Minuten sind eine Herausforderung! Da tauchen plötzlich wieder Läufer auf – der Besenwagen des Run & Fun Laufes – und die letzten Teilnehmer blockieren den Gehsteig. Raus auf die Straße, Autos hupen, blöde Meldungen der Run & Fun Geher „Hosch es eilig?“ – egal – Kopf zwischen die Schultern und weiter. Geschwindigkeit sinkt auf Grund der Steigung – die Oberschenkel brennen, der Geist will, dass ich gehe – vorbei an der Stelle, wo ich 2006 gehen musste – ich laufe aber immer noch! Kilometer 41 – wieder einer geschafft - in 4:30. Der Lautsprecher vom Ziel ist zu hören – wenn ich jetzt gehe bin ich wieder über 3 Stunden, wenn ich laufe, dann darunter – ich schaffe noch einen 4:30 Kilometer, Puls bei 160, Oberschenkel knapp vor dem Verkrampfen – ich beiße! Kampf mit mir! Meine zwei Begleiterinnen stehen bei km 42 „Hopp, hopp. Super!“ Schlusssprint … Im Ziel mit 2:58:15. Der Moderator übersieht mich, weil gerade ein Run & Fun Geher mit „sensationellen“ 1:28 für 11,2 Kilometer ins Ziel kam. Auch egal – ich habe über meinen Willen zum Gehen gesiegt und der Champion- Chip hat meine genaue Zeit!“
Alles in allem ein landschaftlich toller Lauf, aber nicht zu unterschätzen. Zwei Tage mehr Muskelkater als bei einem flachen Marathon einrechnen und danach nicht versuchen, eine Stiege ohne Handlauf abwärts zu gehen … ;-)))
Michael Kerschat